MEINUNG – Mal hüh, mal hott, mal gar nichts tun: Was Bürger in Herdern „nervt“ – BEISPIEL 5: Wohnen (Serie)

Spricht man „mit den Leuten“, die sich für ihr Stadtteil interessieren, dann kommt schnell zur Sprache, was die Menschen umtreibt: Häufige Orientierungslosigkeit in Politik und Verwaltung. Ganz egal ob mehr Rad- und weniger Autoverkehr, Nachverdichten oder Naturerhalt beim Bauen, teurer Wohnraum, fehlende Betreuungsplätze für Kinder und Jugendlichen, Auflagen für Stadtfeste und ehrenamtliche Veranstaltungen, Ruhewald-Friedhof im Naherholungsgebiet oder jahrelangen Strassensperrrung (Hebsackstr) wegen Rechtsstreitigkeiten zwischen Stadt und Anliegern – die Liste liesse sich noch um viele weitere Beispiel ergänzen, eines haben all diese Punkte gemein: es fehlt das „Fingerspitzengefühl“ der Verantwortlichen – und vielleicht auch, zu oft, der Wille – zielführende Lösungen zu finden. An manchen Stellen fehlen ausserdem seit geraumer Zeit immer öfter die Kapazitäten, inhaltlich wie personell, etwas zu verändern oder zu verbessern.

Beispiel 1 (link): Ruhewald

Beispiel 2 (link): Sperrung Hebsackerstrasse

Beispiel 3 (link): Nachverdichtung (Bauen) und Grünflächen

Beispiel 4 (link) – Verkehr und Mobilität

Beispiel 5 – Wohnen: Eigentlich ein Teilthema im Komplex Bauen und Nachverdichten, aber dann doch auch ein ganz eigenes Problemfeld, dass in den vergangenen Jahren bei immer mehr Menschen im Stadtteil „auf der Agenda“ steht. Zu allererst geht es natürlich um die stetig steigenden und damit gesellschaftlich spaltenden Kosten für Mieten wie Kauf von Immobilien in Herdern. Dazu kommen Unsicherheiten was Sanierungen oder Neu- und Ersatzbebauung mit sich bringen. Die Bürger stellen fest: Wohnen wird immer teurer. Und damit auch immer öfter zum sozialen Brennspiegel, wenn es um das Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Wohlhabend geht. Wohnen in Herdern können sich immer häufiger nur noch diejenigen leisten, die entweder schon (lange) hier leben in Eigentum und Miete oder die, die immer weiter steigenden Preise (noch) bezahlen können.

Trotz dieser eigentlich wenig günstigen Bedingungen „boomt“ der Stadtteil und ist weiter attraktiv für viele Menschen, die nach Herdern ziehen möchten. Dieser Zuzug bringt dem Stadtteil Dynamik und sorgt dafür, dass eine Mischung aus jung und alt sich hier wohlfühlen kann. Doch diese Dynamik verändert den Stadtteil natürlich auch – und nicht nur zum Besseren. Denn viele Menschen können sich Herdern schlicht nicht (mehr) leisten oder haben gar keine Chance, hier zu wohnen. Der Stadtteil wird immer mehr zur Heimat einer homogenen Gesellschaftsschicht, die sich mehr und mehr von der in anderen Stadtteilen unterscheidet, weil sie wohlhabender und damit vielleicht auch einflussreicher ist, als viele andere in der Stadt. 

Und gerade deshalb ist es eine Aufgabe der Zivilgesellschaft, die durch die Stadt und ihre Gremien vertreten wird, sich dem Thema Wohnen nicht intensiver – es wird kaum so viel und breit über ein anderes Thema diskutiert – sondern vor allem zielführender zu widmen. Angesichts von Flächenverbrauch, Klimafragen und hohen Neubaukosten muss es doch möglich sein, das Thema Wohnen anders zu entwickeln als durch ein reines Mehr an Wohnflächen und damit zumeist verbundenes Weniger an Natur. Im BHV diskutieren wir immer wieder auch über eine bessere Verteilung der vorhandenen Flächen, um mehr Erhalt statt Neubau und Nachverdichtung. Um eine Würdigung der klar erkennbaren Rahmenbedingungen in einer Stadt, die da sind: Mangel an Baufläche sowie Sanierungsbedarf dem nicht nachgekommen wird und deshalb vorhandene Wohnungen unattraktiv macht. Ausserdem möglichst optimale Nutzung der vorhandenen Wohnfläche (Leerstand, „Fehlbelegung“) bei gleichzeitig weiterem Wachstum der Ansprüche an Wohnraum und -qualität, passende wie nötige Infrastruktur rund ums Wohnen und Arbeiten sowie die Finanzierung dieser Anforderungen aus dem Stadthaushalt. 

Lösungen? Kaum sichtbar oder wenig zielführend. Stabsstellen bei der Stadtverwaltung, Tauschbörsen für Wohnungen mit sehr überschaubarem Erfolg, wenig hilfreicher Mietspiegel, der von vielen eher als Preistreiber (weil nur die Mietpreise aus den letzten sechs Jahren und keine älteren Bestandsmieten einfliessen) denn als Preisdämpfer gesehen wird. Auch der soziale Wohnungsbau sowie die Nutzung von städtischen Wohnungen ist alles andere als „vorbildlich“. Dabei ist Freiburg noch eine Stadt im Glück, da der einst unter Bürgermeister Salomon geplante Verkauf der eigenen Wohnflächen – von den Bürgern – abgewendet wurde und heute als eines der ganz wenigen Steuerungselemente im „Werkzeugkasten Wohnen“ – Ziel: Wohnen für alle möglich machen/erhalten – der Stadt verbleiben ist. 

Was könnte noch helfen? Beispielsweise könnte man die Nutzung der vorhandenen Flächen, in erster Linie und als Vorreiter natürlich die der Stadt Freiburg, endlich den heute gesellschaftlich-relevanten Rahmenbedingung (weniger oder kein zusätzlicher Flächenverbrauch durch Neubau und Versieglung, Erhalt von vorhandenen Freiflächen statt Nachverdichtung, hohe Kosten für erweiterte, zusätzliche Infrastruktur) auch konzeptionell anpassen. Das wird sicher dazu führen, dass der Wohnraum in einer Stadt wie Freiburg für den Einzelnen bezüglich der verfügbaren Quadratmeter kleiner wird – der Trend zu immer mehr Wohnraum pro Person muss gestoppt und eher umgekehrt werden. 

Aber es muss sich auch in der Nutzung von vor allem aus Mitteln der Stadtgemeinschaft finanziertem Wohnraum etwas tun. Beispielsweise könnte man die Mieten sicher auch damit dämpfen, dass man seine Steuerungsmöglichkeiten, zum Beispiel über die Grundsteuer, besser ausschöpft. Oder Eigentümer steuerlich „locken“, die ihre Wohnungen zu einem „sozial-verträglichen“ weil an der Kaufkraft der Freiburger Stadtgesellschaft ausgerichteten Mietpreis – den die Stadt einfach erheben und darstellen kann – vermietet. Im Umkehrschluss kann die Stadt dann auch diejenigen Anbieter von Mietwohnungen, die kein Interesse an einer sozial-darstellbaren Vermietung oder Nutzung haben, über Abgabe (Grundsteuer) „steuern“. Das sollte sich eine Stadt samt Gemeinderat angesichts der großen gesellschaftlichen Bedeutung von Wohnen zweifellos „trauen“. Geht beim Parkraum auch schon und anderswo. Wenn nicht, andere Lösungen vorschlagen und umsetzen! (mg)

MEINUNG – Die sechs Beiträge der Serie (Beispiele 1-6) sind eine Einladung, im Stadtteil und mit dem BVH in eine Diskussion einzusteigen, wie sich unsere Umgebung verändern und anpassen muss, soll oder darf. Sprechen Sie mit uns, erklären Sie uns Ihre Ideen und Wünsche, damit wir alle gemeinsam an einer lebens- wie liebenswerten Zukunft für Herdern und Freiburg arbeiten können. Damit wir auf breiterer Basis miteinander kommunizieren und weniger Themen durch Einzelmeinungen oder Interessenvertretungen geprägt werden – sondern wieder verstärkt von Bürgern, die gemeinsam für ihren Stadtteil streiten, nachdenken und handeln. Danke!

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